Nach 10 Jahren Pause wurde die Deutschland-Tour dieses Jahr wieder neu belebt, und sie kam gleich nach Stuttgart. Als Rahmenprogramm gab es ein Jedermann-Rennen, zu dem uns Jens gleich angemeldet hatte.
Für die Autostadt Stuttgart fast undenkbar, waren wirklich alle wichtigen Straßen in der Innenstadt gesperrt. So trafen sich jedenfalls die ersten Radler schon in der S-Bahn auf dem Weg nach Stuttgart.
In Stuttgart war dann fahrradmäßig die Hölle los. Die Königsstraße, sonst eigentlich eine der größten Einkaufsstraßen im Land, war über und über mit Radlern bestückt. Und der Start war dann sogar auf dem Schlossplatz. Es war nicht ganz einfach, seinen Startblock zu finden, da die Blöcke Labyrinth-förmig angeordnet waren.
Gestartet wurden die Gruppen dann im 10-Minuten-Abstand. Und als wir dran waren, hat mir sogar der Tour-Teufel Didi Senft persönlich auf die Schulter geklopft und viel Glück gewünscht. Da konnte es ja nur gut werden.
Direkt nach dem Start ging sofort eine wilde Hatz durch Stuttgart los. Mit teilweise 50 km/h sind wir über die Straßen gejagt. Mental war ich schon fast darauf eingestellt, bei dem Tempo nach 10 km aufgeben zu müssen.
Leider sind einige Fahrer dabei noch sehr aggressiv gefahren, so dass mich schließlich jemand anrempelte und ich einen Sturz nur mit Ach und Krach verhindern konnte. Danach bin ich deutlich vorsichtiger gefahren, was mich allerdings auch sehr viel mehr Kraft gekostet hat.
Etwas überraschend für mich kam nach dem schnellen Flachstück die erste Weinsteige. Ein Hügel mit einer immerhin zweistelligen Prozent-Steigung. Leider hatte ich mir die Strecke nicht so gut angeschaut, so dass ich ein wenig zu schnell reingefahren bin. Trotzdem konnte ich noch gut hochkurbeln, die Trainingsfahrten und die Dolomiten zahlten sich nun aus. Obwohl ich oben dann schon im roten Bereich war, blieb keine Zeit zum kurzen Verschnaufen. Die ersten Fahrer in der Gruppe traten auf der Kuppe gleich wieder gewaltig rein.
So setzte sich die schnelle Fahrt über schmale Radwege und durch kurvenreiche Stadtpassagen fort. Ich kam dabei auch kaum zum Trinken, weil ich mich ziemlich konzentrieren musste. Besonders ärgerlich war, dass schwächere Fahrer in geraden Passagen oder bergab sich wieder heran und vor mich schoben und mir so den Windschatten nahmen – ich wollte meine Position nach dem Schreck im ersten Teil auch nicht um jeden Preis halten. Wenn diese Fahrer allerdings am Berg oder nach Kurven abfielen, blieb es häufig an mir, die Lücke wieder zu schließen.
Ab der Hälfte des Rennens fing ich dann an, alle Gels in mich reinzuschütten, die ich mir von den letzten Touren noch aufgehoben hatte. Sicherlich half das, auch die weitere Fahrt zu überstehen und auch Anstiege 3 bis 4 km/h schneller hochzufahren, als ich es sonst gewohnt bin. Es half mir auch, dass ich einige Fahrer des Porsche-Teams vor mir hatte, und sie auf keinen Fall weglassen wollte – da hatte der Ehrgeiz mich gepackt. Außerdem gab es in meiner Gruppe noch einen Karl-Heinz (die Namen standen auf der Nummer), der zwar leicht älter aber auch etwas fitter war als ich. An ihm wollte ich mich orientieren.
In Stuttgart zurück galt es noch den Pragsattel und den Killesberg zu erobern, wobei ich die letzten Reserven auspackte. Auch die Abfahrt zur Theodor-Heuss-Straße ließ keine Erholung mehr zu, so dass ich nicht mehr ins Ziel sprinten konnte. Daher musste ich Karl-Heinz auf der Ziellinie ziehen lassen.
Im Ziel konnte ich meine Durchschnittsgeschwindigkeit kaum fassen. Die offizielle Zeitmessung zeigte 3:10:53, was bei den 117,5 km schnelle 36,94 km/h ergab. Unglaublich, dass ich so etwas noch schaffen kann. Ich war stolz wie Oskar. Vorher hatten Jens und ich noch gewettet, ob wir es unter 4 Stunden schaffen, und dann das. Damit belegte ich in meiner Altersklassen dann den 25. Platz (von 438 Teilnehmern) und insgesamt den 127. Platz (von 1680 Fahrern).
Mit dem Adrenalin und Endorphin im Blut haben wir dann noch das Ende der Deutschland-Tour angeschaut, wo die Profis dann auf dem gleichen Weg wie wir ins Ziel kamen. Und auf jeden Fall kann ich sagen, dass es ein tolles Erlebnis war, Stuttgart und die Region mal völlig autofrei mit vielen anderen Radfahrern zu genießen.